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hocc88ren-membran-groesser.jpgARS – CUPRAS is a research project on sound as located between the arts and the sciences. We, a group of artists and musicologists, analyze sounding situations and sound art. We explore avenues of artistic research and collaborations between artists and scientists. We develop strategies to advance art and research on and in sound.

Text veröffentlicht in: proceedings the global composition 4. Oct. 2018Global Composition Logo

The Global Composition 2018

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Projekt A.R.S. Art – Research – Sound
CUPRAS – Cultural Practice of Sound in the context of Sound Art and Sound Research

to be edited state May 2nd, 2020

Dr. Carolin Lauer und Peter Kiefer
(peter.kiefer@uni-mainz.de), (lauer@ars.institute)
www.ars.institute, www.music.uni-mainz.de

Johannes Gutenberg University Mainz (School of Music),Germany

ABSTRACT
Seit Anfang des Jahres 2018 gibt es an der Johannes Gutenberg Universität Mainz ein neues Forschungsprojekt zu Klang. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wird ein Team von WissenschaftlerInnen und KünsterInnen unter der Leitung von Univ.-Prof. Peter Kiefer Aspekte der Klangforschung untersuchen. Eine Besonderheit des Projektes ist die intensive Verschränkung mit der künstlerischen Praxis. Hier liegt der Hauptaugenmerk auf den künstlerischen Herangehensweisen und Fragestellungen von forschenden KünstlerInnen im besten Sinne von ‘artistic research’. Im Rahmen von Global Composition 2018 werden hier aus der Anfangsphase die Eckpunkte des Projektes A.R.S. mit dem Wunsch präsentiert, Kontaktstellen zu den anderen TeilnehmerInnen zu diskutieren und auch Möglichkeiten für institutionelle und sonstige Kooperationen auszuloten.

Hintergründe 1 – Gutenberg Research College
Zur Darlegung des institutionellen Hintergrundes soll hier zunächst auf das Gutenberg Forschungskolleg (GRC) eingegangen werden: Es wurde 2007 als zentrales strategisches Instrument zur Förderung der Spitzenforschung an der Johannes Gutenberg University Mainz (JGU) gegründet. Das Leitungsgremium des GFK wird von exzellenten Forscherpersönlichkeiten der JGU und außeruniversitärer Forschungsinstitute gebildet. Das GFK hat zwei Funktionen: Es berät die Hochschulleitung und den Senat in strategischen Fragen der Forschung und fördert individuelle Exzellenz durch die Vergabe von Fellowships für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das GFK-Fellowship sichert jedem Fellow erstklassige Forschungsbedingungen. Es wird an externe exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, um diese nach Mainz zu holen, aber auch an herausragende Forscherinnen und Forscher der JGU oder kooperierender Institute. http://www.grc.uni-mainz.de

Auf Antrag des Rektorates der Hochschule für Musik wurde Prof. Peter Kiefer Ende 2017 für das Projekt A.R.S. Art-Research-Sound ein solches GRC-Fellowship vergeben, welches ihm erlaubt, sich in den kommenden fünf Jahren mit einem kleinen Team von MitarbeiterInnen dem Thema Sound Art and Sound Research zu widmen.

Hintergründe 2 – künstlerische Praxis

Peter Kiefer ist seit über 40 Jahren in der Welt der Musik und der Klänge unterwegs. Dabei bezog sich seine Betrachtung der Klänge zunächst auf den musikalischen Kontext (Instrumentation, Akustik, Klangfarben). Dieser wurde im Laufe der Zeit aber immer mehr erweitert und wuchs über die Beschäftigung mit der elektronischen Musik über Musik/Klang und Geräusch im medialen Kontext hinaus. Daraus ist die intensive Auseinandersetzung mit der Klangkunst entstanden, die als transmediale Kunstform den Raum- und Konzeptbegriff der Bildenden Kunst mit Musik und Klängen verbindet.
In den vergangenen 25 Jahren hat Kiefer als Klangkünstler zahlreiche eigene Arbeiten im In- und Ausland realisiert und mit Museen wie der Kunsthalle Bonn, City Museum Helsinki, Kunsthalle Düsseldorf, Museen u.a. in Luxembourg, Bern, Basel, Paris zusammengearbeitet.

Symposien und eine Konzertreihe zur Klangkunst anbot. Die Aufzählung der Namen der Künstlerpersönlichkeiten, der Komponisten, Klangkünstler und Theoretiker reicht von Alvin Curran, Karlheinz Stockhausen, Clarence Barlow, Pauline Oliveros zu der tuvanesischen Obertonsängerin Sainkho Namtchylak und der Klangkünstlerin Christina Kubisch u.v.m.

Im Jahr 2010 erschien das von Kiefer herausgegebene und auf dem Projekt von 2004 basierende Buch „Klangräume der Kunst“ (Kehrer, Heidelberg) mit 384 Seiten, 260 Abbildungen (durchgehend 4-farbig) und Video-DVD. Hier werden die vielfältigen Ausprägungen der Klangkunst von den international führenden Künstlern und Wissenschaftlern behandelt. Der Schwerpunkt liegt – wie der Titel es schon nahelegt – auf dem Begriff des Raumes. In Ergänzung zu dem sonst gängigen Ansatz, die zeitliche Komponente hervorzuheben, stellt Kiefer in einem Kapitel eine neue Systematisierung der Klangkunst nach dem Raumbegriff zur Diskussion.

[2]

Hintergründe 3 – Studiengang Klangkunst – Komposition

Nach mehr als einer Dekade Lehrtätigkeit an der Academy of Media Arts Cologne wechselte Kiefer an die School of Musik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der dort von ihm im Jahr 2010 initiierte Masterstudiengang Klangkunst-Komposition ermöglicht erstmals an einer deutschen Musikhochschule den Erwerb eines „Master of Music“ auf diesem Gebiet. Das Studium ist offen für KünstlerInnen, MusikerInnen und andere, die sich künstlerisch mit dem Bereich der Klangkunst-Komposition intensiv auseinandersetzten möchten.
Seit 2018 ist auch der dritte Studienzyklus mit einem Abschluss als Konzertexamen respektive Meisterklasse möglich.

Der Studiengang basiert auf den neuesten Entwicklungen eines intermediären Musik- und Kunstverständnisses, das sich in den zwei vergangenen Dekaden ausgeprägt hat. Ein Schwerpunkt liegt auf dem klingenden Raum – insbesondere dem öffentlichen Raum. Hier fokussieren sich Strömungen der Neuen Musik, der elektronischen Komposition, der Klangkunst, der audiovisuellen Kunst und der radiophonen Kunst, der Ars Acustica, zu einer thematischen Einheit. Auf höchstem künstlerischen Niveau werden kompositorische Ansätze mit Schwerpunkt auf verräumlichenden und intermediären Kompositionsstrategien erforscht und weiterentwickelt. Dazu gehören die Entwicklung von Raumklang- bzw. Klanginstallationen genauso wie performative Konzepte oder mediale Repräsentationen.
https://www.musik.uni-mainz.de/studium/abteilungen/klangkunst-komposition/

Das Projekt A.R.S. Art – Research – Sound

In der Entwicklung seiner künstlerischen Arbeit und inspiriert durch den Kontakt zu und Austausch mit WissenschaftlerInnen anderer Wissensgebiete interessierten Kiefer zunehmend mehr die alltäglichen Klänge. Dabei ging es ihm um das Hören selbst als individuelle Erfahrung und um das Hören Kulturtechnik, die in den verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche Möglichkeiten entwickelt hat, durch das Auditive etwas über die Welt zu erfahren. Dies ist verbunden mit einem sehr starken Interesse an dem, was wir als Wesen durch das Hören an Erkenntnissen gewinnen können, was uns bestimmt und was Hören im gesellschaftlichen Zusammenhang bedeutet und über Gesellschaft aussagt.
Kiefer ist dabei bestrebt, über die rein künstlerische Beschäftigung hinaus Erkenntnisse über die „Kultur des Hörens“ in den Diskurs mit einzubeziehen.
Bei dem Versuch, die Erkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Wissensgebieten einzubeziehen, hat er die Erfahrung gemacht, dass diese zur Zeit noch disparat und oft nur auf spezifische Einzelaspekte gerichtet sind.

Der Begriff des ‚sonic turn’ oder ‚auditory turn’ ist nicht nur Bestandteil des Diskurses in der Kunstwelt, sondern gewinnt seit einigen Jahren auch in zahlreichen Gebieten der Sozial- und Kulturwissenschaft immer mehr an Relevanz. So ist von einer ‚Auditory Anthropology’ von ‚Auditiven Wissenskulturen’ in der Ethnologie, der Archäologie, der Sprachwissenschaft, der Ökologie, der Musikwissenschaft, der Kunst- und Medienwissenschaft etc. die Rede. Der allgemeine Musikbegriff wird im Zuge dieser Entwicklung um den Aspekt des Klanges in einer umfassenden Form erweitert und in seiner Vielschichtigkeit zwischen abstraktem Phänomen und unsere Umwelt prägender Akteur verstanden. Im aufstrebenden Feld der Medienphilosophie, welche bislang durch eine starke Fokussierung auf das Kino geprägt war, hat z.B. Bernd Herzogenrath in seiner Publikation Sonic Thinking [4] den Ansatz verfolgt, das Denken eben auf das Gebiet des Klanges auszuweiten. Dabei sollen die Vorstellungen von Sound Studies neu justiert werden, indem versucht wird, nicht nur über Klang [nach externen Kriterien wie (kultureller) Bedeutung] nachzudenken, sondern mit und durch Sound zu denken.

Der Titel A.R.S. beinhaltet und umschreibt den Ansatz des Projektes, er fungiert gleichzeitig als eine Art Dachmarke und umfassende Überschrift für die bestehenden und zukünftig sich entwickelnden Projektteile. Mit dem Wort ‘art’ an erster Stelle wird belegt, dass die Kunst – und damit verbunden auch die Haltung des Künstlers – Ausgangspunkt der Überlegungen ist. Mit ‘research’ wird der Anspruch verbunden, auf der Höhe der aktuellen Diskurse wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Methodik der Kunst-, Musik- und Kulturwissenschaften einerseits eine bedeutende und grundlegende Rolle zukommt, andererseits wird aber auch der Ansatz eines forschenden Künstlers als forscherischer Ansatz verstanden und miteinbezogen. Der Künstler stellt mit einem Erkenntnisinteresse Fragen an die Welt und kommuniziert dann seine Findungen mit Mitteln jenseits von Text und Sprache. Beide Formen der Forschung werden als legitime Mittel zur Beschreibung unserer Welt akzeptiert und der viel diskutierte Begriff der ‘artistic research’ hier im Projekt mit seinen positiven und erkenntnisorientierten Konnotationen genutzt.

Der an letzter Stelle stehende Begriff ‘sound’ beschreibt nun das Feld, auf dem das wissenschaftliche und künstlerische Forschung stattfinden soll: Es geht um den Begriff KLANG, der nur unzulänglich in die englische Sprache zu transkribieren ist. Klang geht zunächst mal weit über die Bedeutung von Klang bzw. Klangfarbe in der Musik hinaus. Im Projekt A.R.S. beschreibt beschreibt Sound alle Schwingungs-Phänomene, die von uns als Mensch oder von anderen Lebewesen erfahrbar sind, auch über unsere reine Hörwahrnehmung mit den Ohren hinausgehende. Dazu gehört Ultraschall genauso wie Infraschall sowie Schwingungen in unterschiedlichen Verbreitungsmedien und Festkörpern in allen denkbaren Konditionen räumlicher Ausbreitung.

CUPRAS – Cultural Practice of Sound in the context of Sound Art and Sound Research

Mit der Abkürzung CUPRAS benennen wir im übergreifenden Projektnamen A.R.S. das Unterprojekt, welches seit Beginn und aktuell den Hauptbestandteil unserer Arbeit und Forschung ausmacht.

Unter dem Oberbegriff ‚Sound Studies’ als Teil der cultural studies wurde in diesem Themenfeld bereits Vieles und Herausragendes geleistet, was auch durch die wachsende, vor allem international stark zunehmende, Zahl an Publikationen auf diesem Gebiet dokumentiert ist. Es arbeiten Medien-, Kunst- und MusikwissenschaftlerInnen, aber auch EthnologInnen und SoziologInnen und Kolleginnen und Kollegen vieler weiterer Disziplinen zu diesem Thema.
Darüber hinaus wird der Begriff der ‚Sound Studies’ in sehr heterogenen Kontexten verwandt, die weder deckungsgleich noch verwandt mit den hier erwähnten Themenfeldern sind. Wegen dieser Begriffsunschärfe wird im Projekt A.R.S. bewusst der Begriff ‚Sound Research’ verwendet, der auf einem umfassenden Verständnis der Theorie und Geschichte auditiver Kultur und Praxis beruht und sich in Feldforschung und kritischer Analyse auf diese bezieht. Sound Research befasst sich also mit den Phänomenen des Auditiven und den damit verbundenen Prozessen.

Dieser inhaltliche Ansatz der Beschäftigung von Sound als Kulturtechnik in einem transdisziplinären Ansatz ist ein Desiderat, deshalb möchten wir in der ersten Projektphase eine Art Metastudie über den Stand der Sound Research erstellen, um auf deren Grundlage zu eruieren, was in der Literatur schon ausreichend behandelt wurde oder auf welchen Gebieten eine vertiefende Beschäftigung fruchtbringend erscheint. Das wissenschaftliche Team besteht neben Prof. Kiefer aus zwei MusikwissenschaftlerInnen und einer Literaturwissenschaftlerin. Bereits jetzt nach einer relativ kurzen Projektphase sind wir auf zahlreiche interessante Untersuchungen und Fragestellungen gestoßen, die zwar in anderen wissenschaftlichen Kontexten diskutiert werden, für die Klangforschung selber aber noch unentdeckt sind.

Diese Metastudie soll uns helfen, eine Gewichtung unterschiedlicher Themenfelder vorzunehmen, was als eine aktuelle Notwendigkeit zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse auf diesem Gebiet erscheint. Die Ergebnisse sollen auch durchaus Anwendung finden: zum einen in der Findung von Projektpartnern, mit denen eine fundierte Durchführung von aussagekräftigen und neuen Versuchen der Klangforschung konzipiert werden kann und so über die künstlerische Manifestationen hinaus Ergebnisse erzielt werden können, die gesellschaftlich wirksam werden.

Zum anderen soll die Entwicklung von neuen Fragestellungen und Themenfeldern auch zu künstlerischen Umsetzungen führen, die dann in Ausstellungen und Projekten präsentiert werden. Dem Erkenntnisgewinn der künstlerischen Forschung wird dabei derselbe Stellenwert eingeräumt werden wie den wissenschaftlich versprachlichten Ergebnissen. Es entsteht so eine sich gegenseitig inspirierende Wechselwirkung in der Verbindung von Kunst und Forschung. We believe that the arts and the sciences can greatly benefit by a mutual exploration of their respective forms of perceiving, representing, and shaping the world.

Zur Strukturierung und Eingrenzung des weiten Feldes Klang wurden fünf Themenfelder definiert, in denen die oben genannten Ansätze verfolgt werden. In diesen Feldern gibt es bereits verschiedene Detailuntersuchungen und auch künstlerische Experimente. Des Weiteren richtet sich die Auswahl nach möglichen Vernetzungen mit anderen Wissensgebieten. Die Themenfelder sind:

Sound and structure

Sound and phenomena

Sound and life-science

Sound and anthropology/ cultural studies

Sound and nature

 

Im Fortschreiben des Forschungsvorhabens wird ein selektierender Prozess sich diese Felder erschließen und relevante Ansätze ausdifferenzieren. Im weiteren Verlauf von A.R.S. sollen dann aus den fünf Feldern zwei Themenkomplexe zur weiteren Vertiefung ausgewählt bzw. die Bereiche selber einer Redefinition unterzogen werden.

Im Laufe des Prozesses sollen innerhalb dieser Themenbereichen (klang-) künstlerische Positionen gefunden und entwickelt werden, die zu den jeweiligen Inhalten eine Fragestellung (These) und ein Erkenntnisinteresse formulieren. Obwohl auf wissenschaftlichen Diskursen basierend, sollen die Findungen mit künstlerischen Mitteln kommuniziert werden. So wird eine andere Form der Erfahrung in der Sprache der Kunst angeboten werden können, die verstärkt die Gemeinsamkeiten von Kunst und Wissenschaft, beispielsweise das Interesse an Erkenntnisgewinn und Wissensvermehrung betont – ohne die Verschiedenheit zu verwässern. Diese künstlerische Auseinandersetzung wirft mit einem freieren Denken und Kreativität einen ungewohnten Blick auf die Ergebnisse, und im Idealfall entsteht – wie oben schon erwähnt – eine sich gegenseitig bereichernde Interaktion mit wissenschaftlicher Forschung.

Die fünf Themenfelder

Eine ausführliche Erläuterung der fünf Themenfelder würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Und natürlich überschneiden sich gewisse Inhalte der Themenfelder. Dennoch erscheint eine stichwortartige Zusammenfassung, was uns in diesen Themenfeldern bewegt, sinnvoll.

Sound and structure

  • Klanginhärente Formprinzipien wie z.B. Chladnische Klangfiguren, Wasserklangbilder
  • Klang definiert Raum, Klang und Skulptur, RaumKlang
  • Klang in Architektur und Stadt
  • Klang und Bild/ abstrakter Film
  • Harmonikale Prinzipien (Real oder Wunschbild)
  • Obertöne

Durch Klang selber entstehen Strukturen. Einerseits sind diese im Klang selber beinhaltet oder werden durch Interferenzen erzeugt. Klang weist teilweise erstaunliche Eigenschaften auf, die auch erfahrbar sind. Ebenso faszinierend sind visuelle Repräsentationen von Klang, wie die Klangfiguren von Ernst Florens Friedrich Chladni aus dem Jahre 1787 und John Tyndall durch Klang induzierte Flammenformen aus dem Jahr 1853.

Letztere inspirierten zum Beispiel den Klangkünstler Paul DeMarinis zu seinen Tongues of Fire aus dem Jahr 2004.

Im gleichen Jahr realisierte Peter Kiefer seine Arbeit >traverse frequenz< für die drei Innenräume der Deutzer Brücke in Köln. Die Grundfrequenzen der Räume wurden in den Hörbereich transponiert und erzeugten durch Interferenzen stehende Wellen, die genau die architektonischen Dimensionen der Räume akustisch erfahrbar machten. Es entstand eine auf akustischen Prinzipien beruhende klingende Architektur.

Sound and anthropology/ cultural studies

Angelika Böck, Seek Me, Audioinstallation, 2005

  • Kulturtechnik des Hörens in unterschiedlichen Kulturen
  • Funktion von Klang in Ritualen
  • zugeschriebene kulturelle Bedeutung von Klängen in Gesellschaften (Kirchenglocken)
  • Klang-Landkarten
  • historische Klanglandschaften z.B. Rekonstruktion von Soundscapes aus Bildern
  • Klanganthropologie / -ethnologie
  • sonic archeology
  • soundscapes
  • voices of spirituality

 

Der Gebrauch von Klang im Kontext von Gesellschaften, wie er in der Anthropology und den cultural studies untersucht wird, ist und wird natürlich nie umfänglich erfassbar sein. Das Projekt A.R.S. konzentriert sich deshalb auf spezifischen Objekten oder Prozessen zugeschriebene Bedeutungen von Klängen und konkrete Kulturen. So zum Beispiel die Bedeutung der Klänge im tibetischen Buddhismus (Mantras etc.) oder von Schöpfungsmythen. Aber auch im Westen werden Klänge im kulturellen Kontext genutzt.

Ein Beispiel für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Klang und Identität liefert Angelika Böck. Die Arbeit Seek Me entstand im Kontext von Böcks Reihe „Porträt als Dialog“ in Zusammenarbeit mit fünf Sámi Sängerinnen und Sängern aus Norwegen, Schweden und Finnland. Genutzt wurde dabei der so genannte Joik, was den mit dem Jodler verwandten, gutturalen Gesang der Samen bezeichnet. Die Samen besingen damit Menschen, Tiere und Naturphänomene und rufen sich diese damit ins Gedächtnis. Dabei sind der Klang und die Melodie wichtiger als die Worte. Diese Obertongesang dient weniger der Unterhaltung als vielmehr der Möglichkeit, sich dem Besungenen näher zu fühlen und ist traditionell ein integraler Bestandteil der samischen Kultur. Für das Projekt schuf jede(r) Beteiligte einen Joik als “Porträt” der Künstlerin Angelika Böck, was in einer Audioinstallation dargestellt wird.

Sound and phenomena

  • klingende Erde: seismologische Aufzeichnung
  • klingender Himmel: aurora borealis
  • akustische Phänomene in Architektur, z.B. Athanasius Kircher, Echoräume, Hörgalerien etc.
  • Resonanz als akustisches Phänomen z.B. Mark Bain ist ein Klangkünstler, der versucht, Gebäude mit Schall zum Einsturz zu bringen, Vorbild: Sänger lässt Glas zerspringen, Tacoma Bridge „Galloping Gertie“
  • Sonifizierung physikalischer Daten, Hörbarmachung
  • physikalische Klangphänomene wie z.B. Gravitationswellen

 

Im September 2015 gelang der erste direkte Nachweis der vor 100 Jahren von Albert Einstein vorausgesagten Existenz von Gravitationswellen. Die Frequenz dieser Wellen befindet sich – zumindest theoretisch – im Bereich des Hörspektrums. Die erzeugten Bilder weisen erstaunliche Ähnlichkeit mit akustischen Wellendarstellungen auf.

Ein Beispiel der künstlerischen Verarbeitung von Klang und Phänomen präsentierte

der an der ZHdK Zürich lehrende Künstler und Geologe Dr. Florian Dombois: in der Ausstellung RaumKlang – KlangRaum: Aspekte Internationaler Klangkunst in Köln im Jahr 2004 stellte er seine Arbeit Circum Pacific 5.1 vor. In dieser wurden synchron registrierte Seismogramme von fünf Stationen rings um den Pazifik (Kalifornien, Galapagos, Antarktis, Papua Neu-Guinea, Russland) zeitgleich über fünf Lautsprecher abgespielt. Die Besucher standen in der Mitte des Lautsprecherkreises und hörten als ortspezifischen Klang dieser weit voneinander entfernten Orte eine Art unterschiedlich gefärbtes Grundrauschens, das sich plötzlich durch einige global wirkende Großbeben in dumpf dröhnenden Klängen gewaltig synchronisierte – und dann wieder entkoppelte. Dabei entwickelte sich ein Gefühl, als stünde man in der Mitte eines gewaltigen resonierenden Globus. Man konnte sogar die unterschiedlichen Echos der Beben auf der Erdkruste und den Widerhall des Bebens vom Erdkern differenzieren. Die Aufnahme dauerte 15 Minuten, was einer seismischen Registrierzeit von circa drei Wochen entspricht. Man befand sich in einem Klangraum, der die Zeit extrem komprimierte und den Ort des Hörens enorm expandierte: man hörte die Erde schwingen …

Sound and life-science

Laennec’s stethoscope, c 1820.

  • Klang als Diagnosetechnik, Auskultation
  • Klangwelt Krankenhaus z.B. Klänge des MRT,
  • Klang und Geräusch bei und im Umfeld von Heilungsprozessen
  • Physiologie des Ohres und Hörwahrnehmung
  • sonic environment in healing and life-science
  • Klangdesign eines “idealen Therapieraumes”
  • schwingende Systeme
  • Klang und Heilung
  • Zellresonanzen
  • medizinische Sonifikationen – kann man Krebs hören?

 

Schon Hippokrates von Kos beschreibt um 400 v.u.Z. Diagnosetechniken mit Schall. Das Abhören vom Körper gehört auch heutzutage zu jeder ärztlichen Standarduntersuchung. Dabei wurde das erste Stethoskop von René Laënnec erst im Jahre 1819 in seiner Publikation De l’auscultation médiate vorgestellt.

Neben zahlreichen Studien des Umweltbundesamtes über die gesundheitsschädlichen Einfluss von Lärm gibt es auch relativ neue Studien z.B. zur Klangatmosphäre in Krankenhäusern und Intensivstationen, denen die Patienten ausgesetzt sind und deren Kenntnisnahme bis vor Kurzem noch völlig irrelevant war. Während die Lärmvermeidung schon etwas in das Bewusstsein der Gesellschaft gerückt ist, sind wir von der positiven und aktiven Gestaltung unserer Klangumwelt noch sehr weit entfernt. Und dies, obwohl Initiativen wie z.B. das im Jahr 1993 gegründete WFAE (World Forum for Acoustic Ecology) und auch der Komponist R. Murray Schafer schon seit Jahrzehnten versuchen, dies ins soziale Bewusstsein zu bringen.

 

 

 

Sound and nature

  • Klangimitationen und Mimikry von Vögeln
  • Vögel lernen elektronische Klänge wie Handytöne und binden sie ins Balzverhalten ein
  • Wechselwirkung Pflanzenwachstum – Klang (Musik)
  • geben Kühe mehr Milch bei Mozart und wenn ja, warum? (University of Leicester)
  • Klang aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Thema Biosphäre, Erderwärmung
  • Klang und Solar
  • Klangökologie
  • Ozenographie (Forschungsprojekt clockwork ocean: kleine Forschungs-Tauchroboter kommunizieren als Netzwerke über Klang im Wasser)

 

Das Themenfeld Klang und Natur hat sich in der Erforschung bisher als das bereits umfassendst erforschte gezeigt. Insbesondere in der Bioakustik, der Erforschung von Vogelstimmen oder Walgesängen wurde intensiv publiziert. Ebenso gibt es zahlreiche Beispiele der Interaktion von Mensch und Tieren: der Musiker und Philosoph David Rothenberg ist durch seine Konzerte mit Nachtigallen, anderen Vogelarten und auch Walen international bekannt. Der Klangkünstler Tilman Küntzel baut Objekte, die in einen Dialog mit den Vögeln treten sollen.

Darüber hinaus sind wir auch auf in der Sound Research noch unbekannte Ansätze der akustischen Kommunikation von Tier/Pflanze und Pflanze/Pflanze gestoßen und werden diese weiter verfolgen.

Aber auch die „unbelebte“ Natur erzeugt Klänge, mit denen sich u.a. Jacob Kirkegaard befasst, wenn er Klänge von schmelzenden Gletschern oder im Eismeer Grönlands aufnimmt. In diesem Feld der Wechselwirkung mit der Natur, wie z.B. solargesteuerte Installationen, bewegen sich auch Arbeiten von Christina Kubisch und Kaspar König.

Ausblick und Nachhaltigkeit

Das Projekt A.R.S. Art – Research – Sound hat also quasi gerade erst abgelegt und nimmt Fahrt auf. Im Verlauf der kommenden Jahre sind Ausstellungen künstlerischer Projekte sowie Symposien und Fachkolloquien geplant, die helfen sollen, den Forschungsgegenstand weiter zu entwickeln.

Zum Abschluss soll im Jahr 2022 eine größere Ausstellung mit Klangkunstarbeiten zu den fünf Themenfeldern und ein Kongress zu Sound Research und künstlerischer Forschung stattfinden. Hier thematisieren, diskutieren WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, KuratorInnen, MuseumexpertInnen, RedakteurInnen und JournalistInnen den transdiziplinären Ansatz von A.R.S. und tragen zu einer erfolgreichen Weiterführung genauso bei, wie Publikationen im Projektverlauf zur Nachhaltigkeit beitragen werden.

Im Rahmen der Weiterbildung wird eine Sound Art Summer School internationale Klangkünstlerinnen nach Mainz holen und vor allem für junge Klangkünstler aus aller Welt ein offenes Klangkunstlabor für eigene kreative Arbeit und Forschung anbieten. Der erste Termin für ISSAM (International Sound Art Summer Academy Mainz) ist für die zweite Augusthälfte 2019 festgelegt.

Wir freuen uns sehr, das wir die Gelegenheit haben, hier bei der Konferenz Global Composition das Projekt in seinem Anfangsstadium vorstellen zu können. Wir verbinden damit das Angebot an interessierte und mögliche Kooperationspartner, mit dem Projekt A.R.S. Kontakt aufzunehmen. Wir hoffen, dass wir so in ein paar Jahren eventuell sogar gemeinsam erarbeitete, spannende und innovative Ergebnisse im Rahmen von Sound Research und Sound Art präsentieren können.

A.R.S. Team in 2018/19:
Dr. Carolin Lauer, Zürich, Mainz
Dr. Julia Schröder, Berlin, Mainz
Dr. Golan Gur, Berlin, Mainz
Univ.-Prof. Peter Kiefer, Würselen, Mainz

Internet – references
http://www.ars.institute
www.grc.uni-mainz.de
www.peter-kiefer.de 

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References
[1] listening and feeling the sound of a huge membrane, Haus der Musik Wien 2018 © Peter Kiefer
[2] book cover Klangräume der Kunst, Kehrer Heidelberg, 2010, ISBN 978-3-936636-80-2
[3] resonate at luminale Frankurt and ZKM Karlsruhe, Sound Art, a cooperation of sound art composition students and students of the University of Applied Science Mainz http://soundart.zkm.de/resonate-2012/ @ Martina Pipprich , Mainz
[4] Ed. Bernd Herzogenrath. New York/London: Bloomsbury, 2017.
[5] sonorous figures from Ernst Florens Friedrich Chladni: Die Akustik, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1802. Archiv Peter Kiefer.
[6] John Tyndall, Sound, 3. Aufl., New York: D. Appleton & Co., 1898, Appendix 1, S. 427 and Klangräume der Kunst, Kehrer Heidelberg, 2010
[7] Angelika Böck, Seek Me, audio installation, 2005, www.angelika-boeck.de, with kind permission of the artist
[8] LIGO measurement of gravitational waves. Creative Commons Attribution 3.0, 2016
[9] Circum Pacific 5.1 by Florian Dombois, Klangräume der Kunst, Kehrer Heidelberg, 2010
[10] Made of wood and brass, this is one of the original stethoscopes belonging to the French physician Rene Theophile Laennec (1781-1826), Science Museum London/Science and Society Picture Library, Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic
[11] First drawings of the stethoscope. René-Théophile-Hyacinthe Laennec (1781-1826) De l’auscultation médiate…. Drawings of the stethoscope and lungs.
[12] Jacob Kirkegaard, field recording in Greenland, 2016. Photo by Arild Midtbø Kalseth
[13] Jacob Kirkegaard, field recording in Greenland, 2013. Photo by Konrad Seblon

Art – Research – Sound
Cultural Practice of Sound in the context of Sound Art and Sound Research
Research project under the direction of Professor Peter Kiefer
Mainz School of Music
Gutenberg Research College
Johannes Gutenberg University Mainz